erschienen in: GO64! - Das Magazin für Computerfreaks, Ausgabe 4/2000

Computerspiele im Wandel der Zeit

Hello World,

mein erstes Computerspiel war eines dieser allseits bekannten TV-Videospiele: Tennis, Fußball, Squash und Pelota hießen wählbaren Spiele und unterschieden sich eigentlich nur in der Anzahl der Balken auf dem Bildschirm. Trotzdem konnte ich das damals stundenlang spielen...

Balken und Klötze

Klar, die ersten Videogames waren primitiv. Aber sie hatten einen besonderen Reiz, gerade weil man auch gegeneinander spielen konnte. Wen störte es da, daß ein Spieler durch einen Balken und der Ball durch einen quadratischen Klotz repräsentiert wurden? Und daß die Sache nur schwarzweiß war, war doch eigentlich auch eher nebensächlich.

Nicht viel später traf ich auf das Ding, das mein Leben verändern sollte: einen Donkey-Kong-Automaten. Nicht nur legte dieser Spielautomat den Grundstein für Nintendos heutiges Imperium, es weckte auch den unbändigen Wunsch in mir, so etwas auch zuhause haben zu wollen. Leider teilten meine Eltern diese Begeisterung nicht und so bekam ich keine der brandheißen VCS2600 oder gar Colecovision Videospielkonsolen. Stattdessen lenkten sie die technophilen Neigungen ihres Sohnes in "computerisierte Bahnen" - nachdem die ersten, zarten Kontakte mit Sharp MZ80K (1981) und Rockwell AIM65 (1982) gar so erfolgreich verliefen, kam 1983 ein Sinclair ZX81 ins Haus Gut, Farbe hatte das Ding noch keine und die Grafik sah auch nicht wirklich überzeugend aus, trotzdem konnte ich stundenlang Scramble und Space Invasion spielen (ein wehmütig-nostalgischer Gruß geht an die Firma PROFISOFT).

And there was light...

...and sound. Ich kratzte all meine Ersparnisse zusammen und legte mir Anfang 1985 einen C64 nebst Floppy zu. Die Spiele waren der schiere Wahnsinn: Falcon Patrol, Fort Apocalypse und natürlich die legendären Jeff Minter Games, allen voran "Attack of the Mutant Camels" - wer hat hiermit nicht unzählige Stunden vor dem Bildschirm verbracht. Gerade Fort Apokalypse war hier doch ein echter Suchtfaktor, der später nur von Ghostbusters und Impossible Mission getoppt wurde und mit Paradroid die Krönung fand.

Allen diesen Spielen war eins gemein: Spielwitz. Gerade die (aus heutiger Sicht) doch sehr limitierten Hardwareeigenschaften des C64 machten es umso nötiger, ein geistreiches und ansprechendes Spiel zu entwerfen, wollte man es öfter als nur einmal durchspielen bzw. nicht gleich in den ersten fünf Minuten die Lust verlieren. Sicher, Shoot'em'Ups sind eine feine Sache - aber leider doch meist sehr statisch: Nehmen wir Rambo II oder Green Beret als Beispiele - hier wußte man nach dem ersten Durchspielen wann und wo welcher Gegner auftauchen würde.

Und heute?

Es entbehrt sicher nicht einer gewissen Ironie, dass gerade die als Bürocomputer entworfenen PCs heute ihr Dasein als HighTech-Spielekonsolen fristen. Mal ehrlich: Für die Textverarbeitung braucht keiner einen 1GHz-Athlon nebst GeForce256...

Doch leider hat die Qualität der Spiele stark nachgelassen. Technisch sind sie einfach brillant, zugegeben. Sie glänzen mit einem noch vor wenigen Jahren nur aufwendigen Kinoproduktionen vorbehaltenem Realismus und unglaublichen Effekten - doch bei allem Hochglanz kann dies doch über eines nicht hinwegtäuschen: Das weite Feld der Computerspiele hat sich im wesentlichen auf Ego-Shooter a la Doom und Duke Nukem verengt. Auch moderne Autorennsimulationen unterscheiden sich inhaltlich kaum vom Urvater "Pole Position" - sie sehen nur viel besser aus.

Tatsächlich hat mich kein aktuelles PC-Spiel mehr so gefesselt wie es die guten alten C64-Games noch heute tun... Einzig die Multiplayer-Modes der modernen Ballergames sorgen für Spielspaß, denn gegen 4, 8 oder gar 64 Spieler simultan anzutreten, nein, das gab's vor 15 Jahren nicht... Kommen wir in dem Zusammenhang zur

Gewalt in Spielen

So alt wie die Computerspiele selbst, so alt ist die Diskussion um Gewaltdarstellung in denselben - und so führte in Deutschland die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften mitte der 80er die sogenannte Indizierung von Computerspielen ein. Hierdurch wurde es dem Softwarevertrieb untersagt, "indizierte" Spiele an Personen unter 18 Jahren abzugeben - über den Sinn und Unsinn eines solchen Verbotes kann man wunderbar diskutieren: Tatsächlich hat es (sicherlich nicht nur bei mir) dazu geführt, dass man sich insbesondere an der jeweils aktuellen Index-Liste orientierte und schaute, dass man dieser Spiele irgendwie habhaft werden konnte. Ganz nebenbei führte dies zu lächerlichen Seiteneffekten: So wurde beispielsweise das Spiel "Commando" extra für den deutschen Markt zu "Space Invasion" - statt auf braunbefrackte Männchen schoß man nun auf kugelig-weiße Aliens.

Gegenwärtig wird abermals heiß debattiert, ob und wie die nunmehr geradezu fotorealistische Gewaltdarstellung in heutigen Computerspielen die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen fördert - angeheizt von den jüngsten Amokläufen einiger verhaltensgestörter Zeitgenossen. Ich persönlich bezweifle, dass sich diese ihren Knacks durch den Konsum solcher Spiele holten - würde dies zutreffen, müßten bereits heute Heerscharen meuchelnder Game-Zombies marodierend durch die Straßen ziehen.

Vielleicht liegt's ja doch eher daran, daß heutzutage der Computer als willkommener Babysitter die familiäre Zuwendung ersetzt?

Früher war alles besser!

Woran liegt's, dass die Spiele früher einen ungleich größeren Spielwitz besaßen? Ich denke, es liegt an mehreren Effekten:

Schauen wir auf den Musikmarkt - hat sich hier ein Trend etabliert (z.B. Boygroups), wird er bis zum Erbrechen totgeritten. War ein Lied erfolgreich, wird es bis zur Unkenntlichkeit gecovert. Genau diesen Effekt sieht man vermehrt auf dem Spielemarkt: Weltraumspiele sind nurmehr Klone von Wing Commander, Ballerspiele gibt's nur noch als Hochglanz-Egoshooter - ja selbst vor Adventures macht dieser Trend nicht halt und so findet man hier nur noch den typischen Lucasfilm-Stil - zwar technisch immer perfekter und mit immer höheren Anforderungen an die Hardware, aber letztendlich doch immer das gleiche.

Warum die Dinger dann auch noch gleich aussehen, auch wenn sie von verschiedenen Firmen kommen, erfuhr ich unlängst auf einer Pressekonferenz der Firma NxN: Diese Firma stellt sogenannte Spielegeneratoren her. Alter Hut für alte 64'er-Hasen, denn das Shoot'em'up Construction Kit (SEUCK) kennen wir schon über eine Dekade - und heute so gepriesene Leveleditoren sind spätestens seit dem Racing Destruction Set keine Neuigkeit mehr.

Eines haben so erzeugte Spiele jedoch stets gemein: das Basislayout. Man konnte mit dem SEUCK noch so phantasievoll umgehen - es blieben stets typische Merkmale und Limitierungen, anhand derer man ein so erzeugtes Game identifizieren konnte. Nicht anders verhält es sich mit den Produkten heutiger Spielegeneratoren... Besonders befremdlich mag hier der Umstand wirken, dass eine der Hauptanforderungen der Spieleindustrie ist, dass die Spiele auf allen Systemen gleich aussehen sollen - und so fanden die aus einer Hardwarelimitierung der Playstation heraus entstandenen Z-Plane-Buffering-Fehler des wohl erfolgreichsten Playstation-Games Tomb Raider ihren Weg in die PC-Version. Zwar war hier die für diesen Fehler zuständige Hardware gar nicht präsent - gemäß Vorgabe mußte er jedoch emuliert werden...

Doch warum reißt niemand das Ruder herum? Wo sind die kreativen Köpfe von einst geblieben? Leider auf der Strecke... Eine gute Spielidee kann heute leider nur noch schwer von einem kleinen Team von Programmierern oder gar im Alleingang umgesetzt werden: Die Zahl derer, die mal eben vier bis 20 Millionen DM, die eine heutige Spieleproduktion kostet, zur freien Verfügung haben, dürfte sich doch sehr in Grenzen halten. Und wehe, wenn das Produkt dann nicht über einen bislang noch nirgends gesehenen HyperBumpBufferwasweissich-Effekt verfügt.

Mein Dank gilt...

...der Firma PROFISOFT für die ersten, nicht selbst eingetippten Spielerlebnisse.

...der Firma KINGSOFT für Space Pilot (warum war die C64-Version eigentlich um Längen besser als die Amiga-Variante?)

...all den anderen Firmen für ungezählte Stunden wirklichen Spielspaßes - auf daß die wenigen Überlebenden dieser großen Ära des Computerspiels ihren Weg "back to the roots" finden.