erschienen in: GO64! - Das Magazin für Computerfreaks, Ausgabe 2/2000

Hello World,

heute fristet der C64 nur noch ein Schattendasein. Kaum zu glauben, daß dieser Computer noch vor 10 Jahren der angesagte Kommunikationscomputer war und beispielsweise die digitalen Betriebsarten des Amateurfunks dominierte - und da die Mehrheit der Leser hiermit sicherlich nicht ganz vertraut sind, zunächst eine kurze Einleitung in diese Thematik.

Digitale Betriebsarten?

Woran denkt der Laie zunächst, hört er das Wort "Funk"? Vermutlich an Morsecode oder bestenfalls an Sprechfunk - doch das ist nur ein geringer Bruchteil all jener Möglichkeiten, die der Amateurfunk bietet. Wesentliche Spielwiese der Bastler sind hier insbesondere die digitalen Betriebsarten, hier die bekanntesten:

  1. RTTY
    Hinter dieser kryptischen Abkürzung verbirgt sich "Radio TeleTYpe", zu deutsch Funkfernschreiben. Die Datenübertragung geschieht hier mit so berauschenden Datenraten von 45 bzw. 75 Baud in einem speziellen 5Bit-Code, dem sogenannten Baudot. Weniger gebräuchlich sind "Ubertragungen in ASCII mit bis zu 100 Baud. RTTY ist verbindungslos, es existiert somit auch kein Verbindungsprotokoll um eventuelle Fehlübertragungen aufzufangen.

  2. AMTOR
    Eng verwandt mit RTTY ist AMTOR (AMateur Teletype Over Radio). Im Unterschied zu RTTY kennt AMTOR zwei Modi: Der Anruf geschieht im verbindungslosen FEC (forward error correction) Modus, anschließend wird in den ARQ (Automated ReQuest) gewechselt. Ersterer hat gegenüber RTTY den Vorteil, daß in das verwendete Alphabet eine gewisse Fehlertoleranz eincodiert wurde. Im zweiten Modus hingegen wird ein einfaches Verbindungsprotokoll verwendet, so daß "Ubertragungsfehler abgefangen und die fehlerhaften Datenpakete nochmals übertragen werden.

  3. Packet Radio
    Packet Radio ist sozusagen der Shooting Star unter den digitalen Betriebsarten. Ursprünglich basierend auf dem X.25-Protokoll (welches für den Amateurfunk leicht modifiziert wurde und man deshalb korrekterweise vom AX.25-Protokoll spricht) ermöglicht Packet Radio ebenso die Verwendung von TCP/IP, welches die im Internet verwendeten Kommunikationsprotokolle sind.
    Insbesondere die Möglichkeit zur Verschaltung einzelner Rechner als Netzwerkknotenpunkte bescherte Packet Radio einen immensen Erfolg, konnte man doch so erstmals auch auf UKW- (144 bzw. 433MHz) sowie SHF- (>1GHz) Frequenzen Weitverbindungen, wie sie sonst nur auf Kurzwelle (bei entsprechend geringerer Datenrate) möglich waren.
    Aus heutiger Sicht nachteilig sind die eher geringen Datenraten von 1200 bis 9600 Baud, auf Kurzwelle sind aufgrund der schmalen Frequenzbänder gar nur 300 Baud möglich.

  4. Pactor
    Pactor ist eine vergleichsweise neue Betriebsart und verbindet die mit den Betriebsarten AMTOR und Packet Radio gemachten Erfahrungen speziell im Hinblick auf "Ubertragung im Kurzwellenbereich. Es ermöglicht somit eine extrem verläßliche Datenübertragung bei (für Kurzwelle) relativ schnellen "Ubertragungsraten (300-1200Baud).

  5. Morsen (CW)
    Zwar nie als digitale Betriebsart gedacht, so ist CW (Continous Wave) doch die digitalste aller Betriebsarten, gibt es doch zunächst nur zwei Zustände: Ton da oder Ton weg. Weiterhin wird die Länge des Tons gemessen: Ein langer Ton (Strich) hat definitionsgemäß die Länge von drei kurzen Tönen (Punkte). Einzelne Buchstaben trennt man durch Pausen von drei, einzelne Wörter durch Pausen von 5 Punkten. Die Länge eines Punktes ergibt sich indes wieder aus der Gebegeschwindigkeit, welche bei menschlichen Morsern üblicherweise zwischen 30 und 80 Zeichen pro Minute, bei Spitzenmorsern sogar bis zu 200 Zeichen liegen kann (diese verwenden dann allerdings eine Spezialmorsetasten mit der nur noch zwischen Punkt, Strich und Punkt/Strich gewechselt wird).
    Keine schwierige Aufgabe für den Computer - sollte man meinen. Tatsächlich haben viele Morseprogramme Probleme beim Hören, denn der "Human Factor" der Morsenden ist teilweise zu viel für die Toleranz solcher Programme: Waren's denn nun 3 oder 5 Punkte Pause? War das noch ein Punkt oder schon ein Strich? Was wir intuitiv erfassen, stellt den Computer teilweise vor unlösbare Schwierigkeiten.

Der Vorteil

Interessant war damals vor allem, daß der C64 alle diese Betriebsarten (mit Ausnahme von Pactor - diese Betriebsart kam erst nach der Hoch-Zeit des C64 auf) lediglich unter Zuhilfenahme spezieller Konverterschaltungen bzw. einfacher Modems bewältigen konnte. Auf PCs war hierfür ein spezieller Extrarechner (TNC von engl. Terminal Node Controller) notwendig. Daß dies nicht zwingend so sein muß, zeigten wenig später die Programmierer von DIGICOM (s.u.) und portierten das erfolgreiche Programm vom C64 auf den PC, wo es als BAYCOM seither Maßstäbe gesetzt hat.

Die Revolution

Kommen wir gleich zu Beginn zur sicherlich erfolgreichsten Amateurfunksoftware für den C64: DIGICOM. Es ermöglichte dem C64 bereits 1985 Zugang zur (von der PC/TNC-Lösung dominierten) Packet-Radio-Welt. Geradezu revolutionär war zudem, daß diese Software lediglich ein einfaches Ein-Chip-Modem zum Betrieb benötigte. Kuriosität am Rande ist zudem, daß die Programmierer (Florian Radlherr, DL8MBT, und Johannes Kneip, DG3RBU) sich dazu entschlossen, den eigentlich stets brachliegenden Kassettenport zum Modemport umzufunktionieren. Der Userport blieb zunächst frei und wurde später zu einer Statusanzeige (aktive Verbindungen, anstehende Nachrichten). Was DIGICOM aus Benutzersicht so attraktiv machte, war die relativ einfache Bedienung und nicht zuletzt der hervorragende Software-80-Zeichenmodus.

Erfreulicherweise wurde DIGICOM noch weiterentwickelt und braucht sich unter Verwendung eines Spezialmodems auch vor heutigen gleichartigen PC-Lösungen nicht verstecken.

Der Allrounder

Unter dem Namen "Bonito" kursierte mitte der 80er ein weiteres Stück beliebter Amateurfunksoftware. Erklärte Zielsetzung dieser Software war, alle Betriebsarten in sich zu vereinen und so ermöglichte unter anderem CW, AMTOR und RTTY - entsprechende Konverterschaltungen hierfür wurden seinerzeit sogar in der 64er veröffentlicht (so richtig glücklich wurde man mit dieser Schaltung jedoch nicht).

Im Unterschied zu vielen anderen Amateurfunkprogrammen war Bonito echte Kommerzware, was ihm nicht nur Freunde einbrachte, schrieb doch der HAM-Spirit (nein, das ist kein Schinkenschnaps sondern in etwa der gleiche Gedanke, der hinter der GNU-Lizenz steckt) fast schon vor, daß man solche Software den Mit-Funkern kostenlos zur Verfügung stellen sollte.

Was gab's sonst noch?

Abseits der ausgetretenen RTTY/AMTOR-Pfade gab es noch mannigfaltige Software für spezielle Lösungen. Neben zusätzlicher Betriebsarten wie beispielsweise dem Empfang von METEOSAT-Bildern (welcher dem Funkamateur einen eindeutigen Vorteil gegenüber dem ZDF-Wetter verschaffte) gab es auch Programme zur Bildübertragung mittels SSTV (Slow Scan Television) oder auch einfache Hilfsprogramme z.B. zur Verwaltung des Logbuches, der Erfassung und Auswertung von QSL-Karten (Bestätigungskarten über getätigte Verbindungen) oder gar die Steuerung einer X/Y-Rotoranlage zur automatischen Verfolgung der OSCAR-Satelliten oder zum Aufbau von EME-Verbindungen (Erde-Mond-Erde).

Heutzutage ist der C64 aus allen Bereichen vom PC verdrängt worden, der Grund hierfür ist jedoch eher in der Ergonomie als vielmehr der Rechenleistung zu suchen und so spricht prinzipiell nichts dagegen, den C64 auch heute noch als Einstiegsrechner für Amateurfunk (bzw. im Falle von Packet Radio auch CB-Funk) zu nutzen. Bastelerfahrung ist jedoch absolute Voraussetzung - gerade der Konverterbau erfordert doch mehr als simple Lötfähigkeiten, man sollte die Schaltung (zwecks späterem Abgleich) auch verstanden haben.

Wer's mit der Bastelei nicht so hat, wird auf http://www.baycom.de fündig - die ursprüngliche C64-Produktlinie wird auch heute noch vertrieben.

Bleibt zum Schluß nur der obligatorische Hinweis: Hören darf jeder, wer jedoch mit dem Gedanken spielt, zu senden, sollte sich mit den geltenden Bestimmungen vertraut machen. Die ganze Bandbreite aller Betriebsarten nebst entsprechender Frequenzbänder indes stehen nur dem lizenzierten Funkamateur zur Verfügung!

Rainer Buchty (DL1GRA)